Als ich heute früh aufstehe, spüre ich Muskeln, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Der Rucksack wird heute leichter gepackt - die Sonne begrüßt mich schon am Morgen.
Mein Tagesziel ist die Wiesbadener Hütte, erreichbar vom Silvretta-Stausee/Bielerhöhe. Der Bus bringt mich dorthin.
Am Morgen ist es dort schön ruhig. Die hohen Berge spiegeln sich im See. Nur wenige Wanderer sind unterwegs.
Viele Wege führen zur Wiesbadener Hütte: steil hinauf über Hohes Rad oder Radsattel, aber auch über eine Fahrstrasse. Ich entscheide mich für den Aufstieg auf dem Sommerweg. Der führt auf schmalem Bergpfad gut hinauf. Ich genieße dabei den Blick auf die Bergriesen. Allerdings heißt es wieder gut auf die Füße achten. Der Pfad führt immer an der Bergflanke entlang. Mehrfach muss ich von oben herab brausende Bäche überqueren. Es wird eine schöne Kraxelei. Unter mir sehe ich den breiten Fahrweg, wo wesentlich mehr Leute unterwegs sind. Aber ich habe eindeutig den interessanteren Aufstieg erwischt. Keine Bange, ich bin hier oben nicht alleine unterwegs. Vor mir läuft noch ein Pärchen.
Der Pfad verlangt viel Aufmerksamkeit. Eine Pause für die Umschau in die Berge tut gut. Dann geht's weiter. Von der Hütte ist noch nichts zu sehen. Ich passiere Wiesenhänge, dann wieder steinige Stellen und ziemlich weit oben muss ich doch tatsächlich noch ein Schneefeld überqueren. Ein bißchen Bauchkribbeln gehört heute also dazu. Die Stiefel bleiben trotz Durchquerung von üppigen Bachläufen trocken. Nach 3 Stunden habe ich die Wiesbadener Hütte erreicht.
Bei meiner Mittagsrast habe ich das volle Bergkino: Piz Buin (3312 m), Silvrettahorn (3244 m) und Schattenspitze (3202 m). Ich blicke auf Ochsentaler Gletscher und Schneeglockengletscher. Mächtig, gewaltig!!! Allein dafür hat sich der Kraxelaufstieg gelohnt.
Die jungen Kellnerinnen verbreiten eine ausgelassen fröhliche Stimmung. Das ist richtig ansteckend. Es wird rundum viel gelacht und einige ältere Herrschaften frotzeln fleißig mit den jungen Mädchen. Diese Mittagsrast gefällt mir.
Aber ich muss ja wieder runter vom Berg. Für den Abstieg wähle ich die Fahrstrasse. Die geht ganz schön steil bergab, ist aber leichter zu laufen, als mein Sommerweg. Hier sind viele Leute unterwegs. Weiter unten entdecke ich ein dickes Murmeltier, das gemächlich über die Wiese zum Bergbach wackelt, dort in Ruhe trinkt und dann wieder zu seiner Burg hinaufklettert. Es lässt sich überhaupt nicht stören. Ich halte Ausschau nach weiteren Tieren, kann aber keine entdecken.
Der Weg will kein Ende nehmen. Er kommt beim hinteren Ende des Stausees an und ich muss so noch um den halben Stausee drumrum gehen. Jetzt merke ich schon, dass die Beine langsam schwer werden. Aber nach 2 Stunden ist der Abstieg geschafft. Noch schnell ein Eis auf die Hand, dann steht schon der Bus abfahrtbereit.
Nach diesem wunderschönen Bergtag bin ich heute ganz schön k.O. Morgen schließe ich mich der geführten Schmugglertour in die Schweiz an. Na, hoffentlich wird die nicht so anstrengend.